Manchmal passiert einfach nichts, was mich so beschäftigt, dass ein Editorial draus wird (dann schreibt man meistens übers Wetter, das ist immer) – doch manchmal sind es soviele Themen, die mir unter den Nägeln brennen, dass es schwer ist, mich zu entscheiden.
So in den letzten beiden Wochen – gut, es waren nur 2 Themen, die mich – und viele andere – besonders bewegen. Allerdings setzen viele hier ganz andere Schwerpunkte. In der ersten Oktoberwoche beherrschte ein Thema die Online-Gemeinde: das neue Tierschutzgesetz, das sehr viele Verbesserungen, aber auch einige fragwürdige Punkte enthielt. Tausende gingen auf die Strassen, sehr erstaunlich in einem Land, das angeblich kein Herz für Tiere haben soll. Das geplante Gesetz, das es nicht einmal in eine offizielle Verlesung im Parlament geschafft hat, rief erstaunlicher- oder erschreckenderweise sehr viel mehr Empörung hervor als das unsägliche Abtreibungs- und Kaiserschnittverbot, das mit sehr heisser Nadel gestrickt worden war und glücklicherweise nur sehr stark modifiziert verabschiedet wurde.
Wie auch immer, der Entwurf wurde postwendend an die Kommission zurück verwiesen, was im parlamentarischen Alltag oft auch „Ablage Rundordner“ bedeuten kann.
Und dann schlug – zum wiederholten Male – eine syrische Granate auf türkischem Boden ein, tötete eine Mutter und ihre 4 Kinder… und zumindest für mich traten andere, weit wichtigere Ereignisse in den Vordergrund. Es ist für Deutsche relativ, sagen wir mal, ungewohnt, dass die Gefahr eines Krieges nicht irgendwo weit hinten in Absurdistan und in den Abendnachrichten, sondern gar nicht mal so weit entfernt für türkische Maßstäbe – „nur“ 1400 km von Alanya, plötzlich real wird.
Wie man hört, ist ein Großteil der Türken nicht etwa in Hurra-Patriotismus verfallen, sondern ist gegen einen Krieg mit Syrien. Er beherrscht die Medien, die Zeitungen, auch viele Blogs, Foren und nicht zuletzt Facebook.
Was Syrien mit den Tierschutzaktivisten zu tun hat? Sie haben recht: gar nichts. Sie trommeln weiter gegen ein Gesetz, das in der Form, die zu den Protesten geführt hatte, ohnehin schon längst nicht mehr das Papier wert ist, auf dem es geschrieben stand. Und das aufgrund der politischen Großwetterlage nun ganz sicher erst mal ganz unten im Stapel „Dringend zu erledigen“ gelandet ist. Zumindest scheint bei ihnen der drohende Krieg, der Tod unschuldiger Menschen (die sich genauso wenig wehren konnten wie die Tiere) nicht stattzufinden. Sicher, Tierschutz ist wichtig. Aber so richtig angemessen scheinen mir die Maßstäbe nicht zu sein, denn wenn es wirklich zu einem Krieg gegen Syrien kommen sollte, der das Land wieder in ein wirtschaftliches Chaos stürzen könnte – dann werden die zaghaften Verbesserungen der Bedingungen für die Tiere in der Türkei auch hinüber sein – denn den Tieren kann es nur gut gehen, wenn die Menschen in einem Land keine Not leiden.
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