Nicht mit Ruhm bekleckert

…. haben sich in den letzten Tagen die meisten Beteiligten schon im Vorfeld des sogenannten „NSU-Prozesses“, bei dem bei der Sitzvergabe der 50 Presseplätze kein einziges ausländisches Medium – und ich schreibe hier bewusst ausländisch, nicht türkisch – zum Zuge kam.
Das Oberlandesgericht München schon nicht, das erstens keine Notwendigkeit sah, für türkische Medien einige Sitzplätze zu reservieren und sich zweitens absolut unflexibel zeigte, als sich herausstellte, dass man nicht nur in einen Fettnapf erster Qualität getreten war, sondern auch  das Akkreditierungsverfahren fehlerbehaftet war. Wie sich nämlich herausstellte, wurde Jourmalisten, die mehr oder weniger zufällig in der Woche vor der Bekanntgabe anriefen, angekündigt, dass die Akkreditierungsmail wohl „am Montag um 8 Uhr“ herausgegeben werde – und das, nachdem das Gericht in einer Pressemeldung vorab darum gebeten hatte, von Nachfragen abzusehen.
Die türkischen Journalisten haben sich allerdings auch eher benommen wie nörgelige Kleinkinder, denn zumindest müssen auch sie sich fragen lassen, warum sie nicht hinter der Akkreditierung her waren wie der Teufel hinter der armen Seele, wenn es denn so wichtig ist.  Dass türkische Journalisten aus dem Ausland  vielleicht nicht mit dem Procedere vertraut sind, könnte man noch verstehen. Aber alle wichtigen türkischen Zeitschriften von Hürriyet bis Sabah haben Deutschlandbüros. Und da hat man wohl durch die Bank gepennt.  Oder sich eben dummerweise an die Bitte des Oberlandesgerichts gehalten, nicht nachzufragen – dumm gelaufen.
Letztendlich läuft es aber nicht auf ein Saalverbot hinaus, denn immerhin gibt es auch noch 50 Zuschauerplätze – auch wenn aufgrund des regen Interesses am Prozess wahrscheinlich ein interessierter türkischer Journalist vor dem Gerichtsgebäude wird campen müssen, wenn er einen Sitz ergattern will.
Offensichtlich hat nicht nur das Oberlandesgericht, sondern auch die  türkische Presse in Deutschland das Interesse an dem Prozess völlig unterschätzt.
Beispielhaft war das Angebot einiger deutscher Journalisten, zugunsten der türkischen Kollegen auf den garantierten „gewonnenen“ Platz zu verzichten – genützt hat das leider nichts, da sich auch hier das Gericht völlig unflexibel zeigte.
Völlig daneben gegriffen hat allerdings die türkische Politik, lauthals für Abgeordnete, Botschafter und Beobachter der Türkei das Recht auf einen Sitz im Zuschauerraum zu fordern. Dass der Botschafter der Türkei ein gesteigertes Interesse an diesem haarsträubenden Fall hat, ist zu verstehen, aber mehr auch nicht.  
Wie immer erschreckend, wenn es um die Türkei geht, war die gängige Meinung des digitalen Stammtisches. Da war die Rede von „nölender Journaille“  und schlimmerem. Oft war auch eine mehr oder weniger deutliche Häme nicht von der Hand zu weisen.
Wie auch immer das Akkreditierungsverfahren zu bewerten ist, den entscheidenden Fehler hat das Oberlandesgericht München gemacht: indem es nicht von vorneherein genügend Instinkt bewiesen hat und einige Plätze für türkische Medien reservieren liess. Im Fall Kachelmann, der politisch weitaus bedeutungsloser war, war es kein Problem, 10 Plätze für Schweizer Journalisten zu reservieren, weil Kachelmann Schweizer Staatsbürger ist. Warum das nicht in dem hochbrisanten NSU-Prozess möglich war, ist nur sehr schwer zu begreifen. Auch als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, fiel der Richter nicht gerade durch seine Sensibilität auf.
Man stelle sich vor, bei dem Prozess in Antalya, bei dem ein Deutscher wegen Vergewaltigung angeklagt war, wären keine deutschen Pressevertreter vertreten gewesen, weil sie das Akkreditierungsverfahren verbaselt hätten – dann hätte es in Deutschland einen Krieg der Presse gegeben (Parallelen sind hier durchaus zulässig, schliesslich haben in diesem Fall deutsche Politiker ganz unverhohlen mit der Aussetzung der EU-Verhandlungen gedroht -aber das war in dem Fall natürlich niemals Einflußnahme auf das Gericht…).
Das Problem liegt hauptsächlich darin, dass das angewendete Verfahren zur Akkreditierung zwar formaljuristisch korrekt war (oder zumindest gewesen wäre, wenn die Pressesprecherin nicht vorab Infos herausgegeben hätte und sich die Mitarbeiterin nicht bei einigen Mailadressen vertippt hätte) – aber jeglichen politschen Instinkt vermissen liess.  Nun stehen die Deutschen wieder einmal im Ausland da als kalte Prinzipienreiter, die „nur ihre Pflicht erfüllt haben“.  Aber nicht mal das kann man nach Bekanntwerden der Begleitumstände sagen – ich bin sicher, dass jede Weihnachtsfeier der Justizangestellten besser organisiert und durchgeplant war als dieses Verfahren.
Inzwischen fordern auch deutsche Journalistenverbände die Neuauflage des Akkreditierungsverfahrens. Doch das Kind ist bereits in den (Image)Brunnen gefallen. Der Schaden ist da.

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