Mit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan verzichten weltweit rund 1,2 Milliarden Gläubige von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Doch trotz der Entbehrungen, die damit verbunden sind, freuen sich viele Muslime bereits Wochen zuvor auf den Ramadan. Nur wenige Gläubige machen sich dabei Gedanken darüber, ob die Essgewohnheiten während dieser Zeit ihrem Körper vielleicht schaden könnten.
Jedes Jahr auf´s Neue wird auch wieder diskutiert: „das kann doch nicht gesund sein!“ – Die Antwort ist einfach: das ist auch nicht der Sinn. Anders als beim gesundheitlich motivierten Fasten (wobeí man über das sogenannte „Entschlacken“ auch wieder diskutieren kann, der Körper hat nämlich überhaupt keine Schlacken, er ist ja kein Hochofen) ist das spirituell/religiös motivierte Fasten vielen sehr suspekt. Fakt ist aber, dass man nur fasten soll, wenn man gesund ist und kein gesundheitliches Risiko damit eingeht. Es ist sehr schwer und erfordert viel Disziplin, das ist wahr. Deswegen gibt es auch viele Ausnahmen: schwangere und stillende Frauen, Frauen in der Menstruation, Schwerarbeiter, kranke Menschen und Menschen auf Reisen müssen nicht fasten. In der Sure 2, Vers 184 steht: „Wer krank oder auf Reisen ist, fastet nicht oder holt das Fasten nach. Wer auch sonst aus anderen Gründen nicht fasten kann, soll als Ersatz einen Bedürftigen speisen“
Aus der Sicht der Muslime hat das Fasten neben der religiösen Pflicht auch folgende Aspekte:
Verantwortungsbewusstsein: Der Fastende verspürt nicht nur Hunger und Durst, sondern erkennt auch die Notwendigkeit, die Ursachen der Armut zu beseitigen und das Leid der Menschen zu lindern.
Stärkung des Gemeinschaftsgefühls: Der annähernd gleiche Tagesablauf fördert den Zusammenhalt
Aufhebung sozialer Unterschiede: Fastende aus unterschiedlichen sozialen Milieus treffen sich in der Moschee oder Daheim zum gemeinsamen Fastenbrechen.
Askese und Dankbarkeit: Der Fastende konzentriert sich auf den Islam und sucht die Nähe zu seinem Schöpfer. Er begreift, dass die alltäglichen Gaben nicht selbstverständlich sind.
Disziplin: Der Fastende gewinnt die Kontrolle über seine Triebe. Viele Muslime befreien sich in der Fastenzeit von Süchten (z.B. Zigaretten, exzessives Essen).
Neben dem Fasten soll der Fastende sich auch sonst beherrschen, nicht schreien, nicht streiten, nicht unbeherrscht sein. Auch viele Muslime, die nicht fasten, verzichten im Ramazan auf Alkohol, Zigaretten oder andere Dinge, manchmal auf exzessives Fernsehen oder Internet-Nutzung oder auf Glücksspiele. In vielen Familien ist das die friedlichste Zeit des Jahres…. oft allerdings auch die teuerste, denn es wird schon auf besseres Essen geachtet (Wenn man nicht sowieso Gäste hat) – und die Preise traditionell vor dem Ramazan ordentlich anziehen…
Davon abgesehen, dass man in den Hotels und Touristengebieten generell kaum etwas vom Ramazan spürt, sollte man in diesen Tagen vielleicht aus Rücksicht auf die anderen „Süchtigen“ verzichten, in der Öffentlichkeit zu rauchen. auch Trinken und Essen ausserhalb von Hotels und Restaurants sollte fairerweise auf ein Minimum eingeschränkt werden. Besondere Vorsicht ist im Verkehr geboten, insbesondere in den Abendstunden, wenn schon der Essensduft und der Geruch nach frisch gebackenem Brot durch die Strassen zieht – jeder ist müde, hungrig und wahrscheinlich auch langsam gereizt… die Teilnahme am Straßenverkehr sollte man in der Zeit zwischen 18 – 20:30 Uhr auf ein unbedingt erforderliches Mindestmaß reduzieren. Nach dem Abendgebet sind dann insbesondere regionale Restaurants an den Grenzen des Machbaren, weil ganz viele ganz Hungrige ganz schnell ihre Suppe haben wollen. Wenn man nicht Wert auf das ganz besondere Flair eines Fastenbrechen-Menüs legt, sollte man Restaurantbesuche in diesen 4 Wochen am besten nach 21:00 Uhr legen.
Allerdings bieten viele Restaurants besonders reichhaltige, traditionelle Ramazan-Menüs zu günstigen Preisen an, es lohnt sich durchaus, dies einmal „mitzunehmen“.
Für viele Muslime ist der Ramazan auch ein gesellschaftliches Ereignis, es werden viele Einladungen ausgesprochen. Während man im Familien- und Freundeskreis oft – bis auf die zusätzliche obligatorische Suppe und die Süßigkeiten – nicht aufwendiger ist als sonst, sind Geschäftsessen oder offizielle Einladungen im Ramazan meist sehr opulent – deswegen heisst es ja auch oft, im Ramazan werde mehr gevöllert als sonst. Dies ist aber mit der Adventszeit in Deutschland zu vergleichen, wo man sich oft vor lauter Weihnachtsfest-Einladungen kaum retten kann…
Das traditionelle Ramazan-Essen beginnt mit einer Dattel, einem Schluck Wasser und einem kurzen Dankgebet. Dann wird eine Suppe gereicht, es folgt ein Hauptgericht, meist eine Art Eintopf mit Fleisch und Gemüse mit Reis. Nur bei formellen Essen werden zwischen der Suppe und dem Hauptgericht noch Meze – Vorspeisen – gereicht. Zum Abschluss gibt es erst Türkischen Mocca, dann Süßigkeiten…. und dann sinken alle satt und zufrieden auf die Couch. Ganz zum Abschluss wird noch Tee gekocht und Obst gereicht.
Seltener sind Einladungen zum Sahur, dem Frühstück, die dafür aber umso besonderer sind… Es gibt aber auch Restaurants, die Sahur-Büffets anbieten. Im Gegensatz zum Abendessen ist das Frühstück meistens reichlich, beginnt mit einer Suppe, Brot, Käse und warmem Gebäck und endet mit Eiern, Sucuk oder Pastirma und Früchten.
Überall in der Türkei werden Zelte aufgebaut, wo es öffentliches Fastenbrechen geben wird – ursprünglich nur für die Armen, ist es auch oft für Angestellte in den umliegenden Geschäften eine gute Möglichkeit, schnell und günstig (das Essen wird immer kostenlos ausgegeben, ohne dass nach dem Woher und Warum gefragt wird) zu essen.
Das Essen wird von wohltätigen Menschen gespendet. Für viele Arme ist es tatsächlich fast die einzige Zeit im Jahr, wo sie täglich ein warmes Essen bekommen.
Ein weiterer Brauch sind die „Ramazan Senlikleri“, Vorführungen von Clowns und Karagöz (Schattenspiele) nach dem Fastenbrechen. Auch in diesem Jahr gibt es wieder ein tolles Ramazan-Programm am Hafen – selbstverständlich kann sich jeder den traditionellen Vergnügungen wie Karagöz, Musik, Türkischen Kaffee und mehr hingeben, auch wenn er nicht fastet.
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