Wer im Moment aus der “Bild” oder ähnlich gelagerten Medien seine Infos bezieht, der könnte direkt meinen, man lebe in Alanya (oder überall in der Türkei) mitten im Kriegsgebiet. Selbst ich, im Moment in Deutschland und nur sporadisch mit Internet-Zugang versorgt (also keine Chance, türkische Nachrichten nachzuverfolgen) erwische mich gelegentlich bei leicht panischen Anwandlungen… beobachte ich mich doch tatsächlich dabei, meinen Mann am Telefon zu fragen “alles ruhig bei Euch???” DieAntwort ist natürlich “manyak mısın?’ (Bist Du verrückt?) – es ist Hochsaison und der Laden brummt – von wegen ruhig. Aber wenn man ausschliesslich nur auf die deutschen Medien – Print, Radio und TV – angewiesen ist, dann ist der Eindruck wirklich, dass der “Terror” bereits den Strand und die Basare an der Mittelmeerküste erreicht hat….ehrlich gesagt habe ich Verständnis für die Deutschen, die ihren Familienurlaub in diesem Jahr aus Verunsicherung in den Schwarzwald verlegen… aber was ist schon sicher??
Am vergangenen Wochenende (herrlichstes Sommerwetter) starben alleine hier in der Region Rhein-Main etliche Menschen im Straßenverkehr; darunter viele Motorradfahrer und auch Unbeteiligte, die eben nur im falschen Moment am falschen Ort waren. Im Kronberger Zoo brach eine Besucherterrasse ein und der darauf stehende Gasgrill entzündete sich, es gab mehrere Verletzte. Ebenfalls in der Region wurden 13 Kinder verletzt, 7 davon schwer, als ein Traktor mit Anhänger umkippte. In Barcelona wurden mehrere unbeteiligte Passanten bei einer Schießerei in der Fußgängerzone verletzt, was allerdings nur kleine Meldungen unter “Vermischtes” hervorrief (derselbe Vorgang in der Türkei hätte es sicher auf die Titelseite geschafft, aber da steht ja im Moment eher “Türkei erklärt Kurden den Krieg”).
Gehirnwäsche, Infizierte oder die mit dem schmalen Horizont…
Besonders schlimm finde ich dann, wenn man sich als des Türkischen mächtige und seit vielen Jahren in der Türkei lebende Deutsche noch belehren lassen muss, dass man ja schliesslich “gehirngewaschen” sei, “nur das nachplappere, was der türkische Gatte vorgibt” oder sowieso einen eingeschränkten Horizont habe. In einer Mail im Jahr 2013 (nach den Vorgängen um den Gezi-Park in Istanbul) wurde mir doch tatsächlich allen Ernstes mitgeteilt, dass man das Geschehen aus der Entfernung ja ohnehin besser beurteilen könne, da hätte man den Überblick. Äh. Ja.
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