Fasten – das kann doch nicht gesund sein.

Alljährlich schiebt sich der Ramazan, der Fastenmonat, um 11 Tage weiter nach vorne ins Jahr, weil er nach dem Mondkalender berechnet wird und nicht nach unserem “normalen” Kalender. So wandert er in etwa 30 Jahren komplett durch einen Jahreslauf. Naturgemäss kreuzt der Fastenmonat dann auch einige Jahre den Sommer – und schon geht die Sorge um die Gesundheit der Muslime los… was? Du fastest?? Das ist ja verantwortungslos bei der Hitze, nix essen geht ja noch, aber nix trinken!! Also man sollte schon etwas auf seine Gesundheit achten, nur wegen so´nem religiösen Quatsch seinem Körper schaden!!!” Sprachs und nahm einen tiefen Lungenzug aus der Zigarette.

Um es mal ganz klar auszudrücken (gilt auch für viele Muslime, die nur aufgrund gesellschaftlichen Drucks fasten): wer den Sinn des Fastens nicht begreift, für den bedeutet Ramazan nur Hunger und Durst.

„Das kann doch nicht gesund sein!“

Die Antwort ist einfach: das ist es auch nicht. Behauptet auch keiner…. Es ist gerade jetzt im Juni, wo in der Türkei die Fastenzeit über 16 Stunden beträgt, sehr schwer und erfordert viel Disziplin, das ist wahr. Vor allem das fehlende Trinken bei Sommerhitze finden viele verantwortungslos. Dabei wird der Flüssigkeitshaushalt genauso stabil gehalten, wenn man eben zwischen abends und morgens trinkt, statt zwischen morgens und abends. Sehr schweisstreibende Aktivitäten können allerdings tatsächlich zu Problemen führen, wenn auch nicht unbedingt zu (bleibenden) gesundheitlichen Schädigungen – das ist auch gar nicht gewollt.

Fakt ist, dass man nur fasten soll, wenn man gesund ist und kein gesundheitliches Risiko damit eingeht.

Deswegen gibt es auch viele Ausnahmen: schwangere und stillende Frauen, Frauen in der Menstruation, Schwerarbeiter, kranke Menschen und Menschen auf Reisen müssen nicht fasten. Kinder sowieso nicht. Auch die Frage, ob muslimische Fußballer bei der WM im Nachteil sind, ist eigentlich obsolet…. sie müssen sich vorher entscheiden: Fußball oder Fasten. Wer sich für Fußball entscheidet, hat als Leistungssportler die Möglichkeit, die Fastentage auch bis 2 Monate nach dem Zuckerfest am 28. Juli oder 2 Monate vor dem nächsten Ramazan nachzuholen.Zudem ist der Sportler auf Reisen und ist daher auch vom Fastengebot ausgenommen. In der Sure 2, Vers 184 steht:„Wer krank oder auf Reisen ist, fastet nicht oder holt das Fasten nach. Wer auch sonst aus anderen Gründen nicht fasten kann, soll als Ersatz einen Bedürftigen speisen“. Hierfür wird in den verschiedenen Ländern jeweils ein IMG 0349bestimmter Betrag festgelegt, mit dem ein Mensch einen Tag satt wird. Dieser ist dann zum Beispiel auch in Deutschland höher als in der Türkei.

Es geht aber nicht nur um das Essen und Trinken, auch wenn es oft darauf reduziert wird. Wer aus Überzeugung fastet, der wird in diesen 4 Wochen sogar friedlicher und ruhiger sein als sonst, weil er/sie sich auf das wesentliche besinnt und einfach mehr als sonst in sich ruht.

Aus der Sicht der Muslime hat das Fasten neben der religiösen Pflicht auch folgende Aspekte:
Verantwortungsbewusstsein: Der Fastende verspürt nicht nur Hunger und Durst, sondern erkennt auch die Notwendigkeit, die Ursachen der Armut zu beseitigen und das Leid der Menschen zu lindern.
Stärkung des Gemeinschaftsgefühls: Der annähernd gleiche Tagesablauf fördert den Zusammenhalt, Familien treffen sich viel öfter zu gemeinsamen Mahlzeiten – wichtig gerade in der Hochsaison des Tourismus.
Aufhebung sozialer Unterschiede: Fastende aus unterschiedlichen sozialen Milieus treffen sich in der Moschee oder Daheim zum gemeinsamen Fastenbrechen.
Askese und Dankbarkeit: Der Fastende konzentriert sich auf den Islam und sucht die Nähe zu seinem Schöpfer. Er begreift, dass die alltäglichen Gaben nicht selbstverständlich sind.
Disziplin: Der Fastende gewinnt die Kontrolle über seine Triebe. Viele Muslime befreien sich in der Fastenzeit von Süchten (z.B. Zigaretten, Alkohol, exzessives Essen).

Neben dem Fasten soll der Fastende sich auch sonst beherrschen: nicht fluchen, nicht schreien, nicht streiten, nicht unbeherrscht sein.
Oftmals werden alte Schulden beglichen oder schwelende Streitigkeiten beigelegt.
Auch viele Muslime, die nicht fasten, verzichten im Ramazan auf Alkohol, Zigaretten oder andere Dinge. Übrigens ist auch die von vielen “Aussenstehenden” (zu recht) angeprangerte Völlerei nach dem Fastenbrechen nicht der Sinn der Sache. Überall in der Türkei gibt es auch in Hotels und Restaurants überbordende, teilweise sehr teure und luxuriöse Iftar-Essen. Darüber kann man geteilter Meinung sein – viele dieser Essen sind geschäftlicher Natur, eine gesellschaftliche Verpflichtung. Gerade Nichtmuslime bekommen meist “nur” Einladungen zu solchen besonderen Angelegenheiten (oder wenn eine Familie die Nachbarn einlädt) und dadurch wird der Eindruck erweckt, es werde im Ramazan besonders geprasst. 

Bei uns zuhause – und auch in unserem kompletten Bekanntenkreis – gibt es meist nur einen Unterschied zum “normalen” Abendessen: es gibt immer eine Suppe vorneweg und immer einen Nachtisch, etwas Süßes hinterher. Ansonsten ist speziell bei uns auch die Art der Speisen etwas anders: sonst ist unsere Küche eher international, es gibt auch mal chinesisch, natürlich deutsch und italienisch wird auch gerne genommen… im Ramazan koche ich fast ausschliesslich ganz traditionelle türkische Hausmannskost: eine passend zur Jahreszeit eher leichte Suppe, danach das tradtionelle “Sulu Yemek” also auf gut deutsch ein Eintopf mit viel Gemüse und wenig Fleisch, dazu Reis oder Bulgur, einen Salat und zum Schluss etwas Süßes. Es muss nur etwas sein, was leicht verdaulich ist und schnell reingeschoben werden kann, damit man nicht beim Sezieren des Essens verhungert 🙂

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