Opferfest – vom Schlachten und Schenken

Nach dem Zuckerfest  im Sommer steht jetzt vom 15. – 18. Oktober der nächste Höhepunkt im islamischen Kalender an, das Opferfest ( Kurban Bayrami oder Eid al-Adha (arabisch), der Höhepunkt des Pilgermonats Hadsch. Schon seit Wochen sieht man besonders in ländlichen Gebieten überall einzelne Schafe und Ziegen in Ecken und Höfen grasen, die als Opfertiere vorgesehen sind – aber selbst in der Stadt kann man sie sehen, auch wenn seit wenigen Jahren das Schlachten im eigenen Garten verboten ist, es sei denn, man hat die Möglichkeit zur Entsorgung des Blutes und einen zertifizierten Metzger bestellt. Dass dieses Gesetz besonders im ländlichen Raum oder ärmeren Stadtteilen nicht besonders viel gilt, kann man nach dem ersten Tag des Festes, an dessen Morgen traditionell geschlachtet wird, in den Nachrichten bewundern: Tiere, die mit ihrer Opferrolle ganz und gar nicht einverstanden sind und ausbüxen oder „Möchtegern-Metzger“ die mit stumpfen Messern statt in den Hals des Tieres ins eigene Bein hacken.

In vielen Städten, auch in Alanya, darf nur noch an speziellen Schlachtplätzen geschlachtet werden und auch nur von denen, die über das entsprechende Zertifikat verfügen. Dort werden auch Innereien und Blut entsorgt sowie die Felle der Opfertiere gesammelt, um sie einem guten Zweck zuzuführen.

Jedoch nicht nur Hygiene und körperliche Unversehrtheit des Schlachtenden spielen bei dieser Regelung eine Rolle, sondern tatsächlich auch der Tierschutz: wird der Schnitt sachgerecht mit einem guten Messer durchgeführt, ist diese Methode keinesfalls grausamer als die Schlachtung in einer Massentierhaltung oder bei einer Hausschlachtung. Wie ich als „Landkind“ oft miterlebt habe, ist eine unsachgemäße Hausschlachtung auch mit keinerlei Tierschutzgedanken zu vereinbaren und schlimmer als jedes sachgerechte Schächten.
Das eigene Schlachten geht aber ohnehin auch in der Türkei immer weiter zurück, ist doch gerade bei großen Tieren das Zerteilen Schwerstarbeit. Viele Supermärkte wie Tansas, Real, Migros oder Metro bieten daher einen „Kurban Servis“ an: man bestellt ein Schlachttier in der gewünschten Größe und erhält es sauber zerlegt und vakkumiert in einem Karton nach Hause geliefert, zusammen mit einem Zertififkat, dass die islamischen Vorschriften eingehalten wurden. Man kann das Paket sogar gleich – auf Wunsch auch anonym – an die zugedachten Empfänger schicken lassen – gut sein leicht gemacht.

Noch leichter wird es gemacht durch die überall angebotenen „Bayram Kredite“ zu besonders einfachen Bedingungen – damit wird aber der Sinn des Opfers konterkariert, denn es soll nur der geben, der es sich leisten kann. Ein Opfer, gekauft mit geliehenem Geld, ist strengenommen auch gar nicht gültig. Leider gilt aber auch in der Türkei oft: keiner möchte als bedürftig dastehen und sich vom Nahbar ein Fleischpaket bringen lassen. Da geht es nicht mehr um den Glauben, sondern um den Status….

Im Zentrum steht die Geste des Gebens
Jedes erwachsene Familienmitglied, das wirtschaftlich dazu in der Lage ist, sollte am ersten oder zweiten Tag des Festes ein Tier, Schaf oder Kalb, als Opfer schlachten lassen. Das Fleisch des Tieres soll in drei Teile aufgeteilt werden und sowohl den Familienangehörigen als auch den Verwandten und Nachbarn und dann den Bedürftigen zukommen. Interessant ist, dass die Scharia, das islamische Religionsgesetz, ausdrücklich darauf hinweist, dass der Anteil des Nachbarn auch an einen christlichen oder jüdischen Nachbarn weitergegeben werden kann.

Höhepunkt des Pilgermonats Hadsch
Das Opferfest folgt auf den „Tag von Arafat“, an dem Millionen von Pilgern in der baumlosen Ebene von Arafat vor Mekka einen Tag lang vor Gott im Gebet ausharren.
Am darauffolgenden Tag, dem Opferfest selbstö wird dann ein Tier geschlachtet und mit diesem Opfer an Ibrahim (Abraham) erinnert, der im Koran als erster „Gottergebener“, auf arabisch „Muslim“, bezeichnet wird. Die Abrahamserzählung der Hebräischen Bibel findet sich mit leichten Abwandlungen auch im Koran. Ibrahim wird hier aufgefordert seinen Sohn zu opfern, und der kommt dem auch gehorsam nach, worauf Gott mit einem Engel eingreift und anstelle des Sohnes (Isaak in der Hebräischen Bibel, Ismail nach islamischer Tradition) einen Schafbock als Opfer anbietet.

Ursprünglich war das Tier, das geopfert wurde, die Lebensgrundlage des nomadischen Menschen. Ein Tier zu opfern, zu töten, heisst damit auch diese Lebensgrundlage schmälern und ganz real ein Stück mehr auf Gott vertrauen im „Kampf“ ums Dasein. Daneben steht das Teilen des Fleisch des Opfertieres mit anderen, den Mittellosen, und dann wird aus dem unmittelbaren Gottvertrauen vielleicht Dankbarkeit und das Bewusstsein des reich gesegnet Seins.

Festtage
Die Festlegung des Opferfestes unterliegt den Besonderheiten des islamischen Kalenders, eines Jahreskalenders mit 12 Mondmonaten zu 29 oder 30 Tagen von Neumond zu Neumond. Somit ist das islamische Jahr um 10 Tage kürzer als das Sonnenjahr und damit wandern auch alle islamischen Festtermine jedes Jahr in unserem Kalender um 10 Tage nach vorne.

Das viertägige Opferfest beginnt in den Moscheen am frühen Morgen mit einem relativ kurzen Festgebet mit Predigt. Die Moscheen sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Nach dem Gebet werden Süßigkeiten herumgereicht und vor der Moschee begrüßen und beglückwünschen sich alle. Die folgenden Tage werden genutzt, um die Kinder zu beschenken und Verwandte und Freunde zu besuchen. Es ist weiterhin Brauch, sich vor dem Fest neu einzukleiden. Es ist auch üblich, Angestellten (besonders geringer verdienenden) einen Umschlag mit etwas Geld vor dem Fest zuzustecken, damit dieses schön begangen werden kann.
An den Feiertagen selbst werden wieder jede Menge geschniegelte Kinderhorden unterwegs sein, klingeln und brav ihr Sprüchlein aufsagen „Bayramız kutlu olsun!‘ und dafür mit Süßigkeiten belohnt werden. Geld zu geben ist hier eher unüblich.

Ach ja: wenn Sie Ihren türkischen Nachbarn oder Freunden Glückwünsche zukommen lassen wollen, haben Sie die Wahl: Das eher lockere „İyi Bayramlar“ (einfach „Schöne Feiertage“ – kann man auch vor dem Fest sagen. wenn man die betreffende Person nicht mehr sieht) das formellere „Bayramın Kutlu olsun“ oder das ganz formelle „Bayramınız mübarek olsun“.

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