Dumm, naiv oder ignorant?

In den letzten Tagen machten wieder mehrere Vorfälle Schlagzeilen, deren „Urheber“ es doch teilweise sehr an, sagen wir mal , Landeskenntnis und Einfühlungsvermögen fehlen liessen. Nein, es geht nicht schon wieder um die Bikinschönheiten, die hatten wir ja schon. Die ersten beiden Vorfälle gingen für die Beteiligten mehr oder weniger glimpflich aus, es hätte aber auch anders enden können: zuerst fanden es zwei norwegische junge Männer eine echt tolle Idee, sich vor dem Atatürk-Denkmal zu fotografieren. Das ist ja auch soweit kein Problem, das tun täglich Touristen. Nur  meinten die beiden Jungs, es sei besonders originell, auf die Statue des Staatsgründers zu klettern und die Hosen runterzulassen – und dies zu fotografieren. Gut, es war Nacht, sie waren betrunken – aber wie ahnungslos kann man sein, um auf eine solche Idee zu kommen? Die Türken pflegen keinen sehr entspannten Umgang mit Beleidigungen von Atatürk, die beiden Norweger hatten sehr viel Dusel, dass sie nur ein Bußgeld zu zahlen hatten und umgehend abgeschoben und zur Persona non grata erklärt wurden. Auch einen jungen Dänen, der nur ein paar Tage später gegen das Denkmal urinierte, ereilte das gleiche Schicksal. Dass in der gleichen Nacht Betrunkene mit Eisenstangen ein Auto demolierten, ist da fast schon eine Marginalie.
Wie ahnungslos kann man eigentlich sein, wenn man nicht weiss, was in der Türkei Atatürk für eine Bedeutung hat – und lässt die Finger von solchen Mätzchen? Andere Länder, andere Sitten – mir doch egal, Hauptsache Party? Anscheinend schafft es Alanya nach wie vor nicht, die sogenannten „Qualitätstouristen“ anzulocken. Zumindest nicht im Juli-August.   Obwohl es für mich eigentlich unbegreiflich ist, wo jemand seine Erziehung genossen hat, der an einem offensichtlich zentralen Platz, an einer großen Statue mit jeder Menge Flaggen und Lametta, meint, sich erleichtern zu können? Aber da ist er ja in bester Gesellschaft, in Europa ist das ja selbst in Adels- und Schauspielerkreisen sehr beliebt, das Pinkeln an unpassenden Orten.
Ein anderer Fall macht auch derzeit Schlagzeilen: wieder mal wurde ein Tourist mit  einem verdächtigen Stein im Gepäck erwischt und umgehend festgesetzt. Pikanterweise handelte es sich hierbei um einen Schweizer Polizeichef, dem auch noch höhere politische Ambitionen nachgesagt werden. Wegen eines Kieselsteins sei der Mann verhaftet worden, heulte die Schweizer Boulevardpresse auf. Doch der Stein, den angeblich eines seiner Kinder am Wegesrand aufgesammelt haben will, entpuppte sich später als ein 10 X 10 cm großes Stück bearbeiteter Marmor – und der Wegesrand lag an einer Ausgrabungsstätte…. und der Herr Polizeikommandant will von nichts eine Ahnung gehabt haben? Wo einem bereits im Flughafen Warnhinweise in allen möglichen Sprachen förmlich entgegenspringen?  Auf allen einschlägigen Webseiten, Reisekatalogen und durch die Reiseleiter gewarnt wird? Eigentlich sehr unglaubwürdig, der Herr.
Oder doch einfach naiv? Zumindest hat er heldenhaft die Verantwortung übernommen, damit Frau und Kinder unbehelligt aus diesem gefährlichen Land ausreisen können. Nach 5 Tagen durfte er dann auch zurück in die Schweiz, nicht ohne den Kollegen versprochen zu haben, auch pünktlich zu seinem Prozess im Herbst wieder einzufliegen.
Ich finde es einfach unbegreiflich, wie in Zeiten des Internets  solche Faux pas aus Ahnungslosigkeit passieren können. In früheren Jahren musste man losziehen, sich für viel Geld einen möglichst dicken und nicht zu überholten Reiseführer kaufen (die Älteren unter Ihnen werden sich noch erinnern, Baedecker, Reise Know how und so),  um diesen bzw. zumindest die wichtigsten Hinweise zum Verhalten im Gastland zu lesen.
Heute gibt man in Google „Türkei“ ein, oder gleich „Alanya“ und erhält aktuelle Informationen kostenlos auf dem Präsentierteller – in jeder möglichen Sprache.  Oder, wer sich etwas mehr Mühe machen will, konsultiert die vielen vorhandenen Foren.
Warum trotzdem solche Fälle wie die oben genannten verstärkt vorkommen? Dummheit, Desinteresse, Naivität? Wahrscheinlich ein bisschen von allem.

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