Manchmal ist es hart…

Das sind wohl die Momente, wo jeder, der im Ausland lebt, sich fragt, warum er nicht bei der Familie in Deutschland ist: ein wichtiger, ein lieber Mensch ist gegangen. Und man war nicht da, um Abschied zu nehmen oder wenigstens, um mit der Familie zu trauern. Man sitzt dann mit der Trauer alleine in einem plötzlich wieder als ziemlich weit entfernt empfundenen Land.  Und macht sich Vorwürfe, weil man den Flug doch wieder so lange hinausgeschoben hat  – mit dem locker dahingesagten „Eigentlich zieht es mich ja gar nicht nach Deutschland“. Das ist leicht dahin gesagt, wenn die Familie gesund und wohlauf ist…. aber wenn nicht, muss man sich mit der Frage auseinandersetzen: „Warum war ich nicht da? Warum habe ich nicht erkannt, dass es zu Ende gehen kann? Ich wusste doch von der Krankheit und wie es enden wird…“ 
Man telefoniert, ja. Aber man sieht nicht, wie der Mensch langsam vergeht und es trifft einen doppelt hart, wenn man dann doch zu spät kommt, obwohl man weiss, dass „mit dem Schlimmsten zu rechnen“ war. Aber doch nicht so schnell? Es gibt ja Tausende Gründe, warum man gerade jetzt noch nicht nach Deutschland fliegen will oder kann… sei es die Arbeit, der Fastenmonat, die teuren Tickets nach Deutschland…. Später, später! Es ist ja noch Zeit, denkt man sich dann. Es ist ja noch Zeit, die Tickets sind so teuer, es ist Hochsaison und überhaupt, die Arbeit!!!!
Und dann kommt der Anruf, vor dem man sich die ganze Zeit gefürchtet hat, obwohl man mehr oder weniger damit gerechnet hat. Es war doch noch Zeit? War es dann doch nicht. Und dann muss man doch nach Deutschland, zur Beerdigung.  Zu dem Anlass, der niemals der Grund einer Reise sein sollte.
Statt fröhlicher Wiedersehenstreffen sitzt man zusammen und erinnert sich an den Menschen, der nun nicht mehr da ist… und ist doppelt traurig, weil man selbst nicht da war. Hätte man uns gebraucht? Wäre es besser gewesen, wenn wir dort gewesen wären? Eigentlich sind es müßige Fragen, aber es sind ganz sicher die, die jeden umtreiben, der weit entfernt von Menschen lebt, die einem wichtig sind.  Seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder  spüre ich etwas von der Zerrissenheit, die die ersten Jahre meiner Auswanderung geprägt hatten:  
„Irgendwas fehlt immer in so einem zweigeteilten Leben, von irgendjemand und irgendwas muss man immer Abschied nehmen, und jedes Mal tut es gleich weh: man gewöhnt sich nicht daran. Meistens ist es eine Bereicherung, manchmal eine Belastung, manchmal verwirrend – wo gehört man hin?“
Das war 2003 – inzwischen weiss ich es: ich gehöre hierher, nach Alanya. Aber in solchen Situationen wie gerade eben hadert man doch… ein bisschen…

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